Einheitslok Baureihe 84


Allgemeines


Nach der ersten Planung zum Umbau auf Normalspur sollte die vorhandene Linienführung der Schmalspurstrecke von Heidenau nach Altenberg (Erzgeb.) weitgehend beibehalten werden. Als Mindesthalbmesser waren damals noch 120 m vcorgesehen. Der stark angewachsene Ausflugsverkehr konnte nur noch mit erheblich vergrößerten Zuglasten bewältigt werden. Darüber hinaus sollten die Züge auf der Hauptbahn bis Dresden durchgebunden werden, was entsprechend höhere Geschwindigkeiten verlangte.
Für diese vielseitige Aufgabe standen der Reichsbahn keine geeigneten Fahrzeuge zur Verfügung. Von den ersten Entwürfen, die Ende 1934 entstanden, wurde gefordert, daß die Lokomotive bei einem Achsdrck von 18,5 t eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h entwickelt und Krümmungen mit 100 m Halbmesser einwandfrei befahren kann. Sie sollte auf einer Steigung von 1:27 bis 1:30 im Gleisbogen von 140 m Halbmesser einen 175 t-Zug mit 40 km/h befördern können und möglichst große Wasser- und Kohlevorräte mitführen.

Mit den Entwurfsarbeiten wurden die Firmen Berliner Maschinenbau A.G. (vorm. L. Schwartzkopff) in Wildau und Orenstein & Koppel in Drewitz betraut. Sie führten nach eingehenden theoretischen Untersuchungen zu zwei Vorschlägen, die in der Achsfolge und in der Kesselbauart übereinstimmten, sich aber im Trieb- und Laufwerk wesentlich voneinander unterschieden.
Bei Versuchsfahrten sollte festgestellt werden, welcher Bauart der Vorzug zu geben sei. Zwar hatte die Zweizylinderlokomotive bessere thermische Eigenschaften, die aber durch den schlechteren mechanischen Wirkungsgrad ihres Zahnradgetriebes mehr als ausgeglichen wurden. Die Achsen der 84 003 führten bei Fahrten im geraden Gleis etwa doppelt so große Seitenbewegungen aus wie die der 84 002. Besonders überlegen zeigten sich die 84 001 und 84 002 bei Fahrten durch Bögen von unter 120 m. Damit war die Überlegenheit der Schwartzkopff-Eckhardt-Lokomotive erwiesen. Als endgültige Ausführung ergab sich nunmehr eine Dreizylinderlokomotive mit dreimal 500 mm Zylinderdurchmesser und einstufiger Dampfdehnung für 80 km/h Höchstgeschwindigkeit, 16 bar Kesseldruck und 18 t Achsdruck der gekuppelten Radsätze. 1937 beschaffte die Deutsche Reichsbahn weitere 8 Lokomotiven von der BMAG. Die BR 84 sollte künftig neben der Müglitztalbahn generell auf Strecken mit außergewöhnlichen Krümmungs- und Steigungsverhältnissen zum Einsatz kommen. Wegen der Auswirkungen des II. Weltkrieges blieb dieser Lokomotive eine weite Verbreitung versagt.


84 007 vor dem Altenberger Lokschuppen (um 1940)
BR 84 auf Bergfahrt bei Oberschlottwitz
Beschreibung der Einheitslokomotive BR 84

Übersichtszeichnung 84 001 (Teil1)
Übersichtszeichnung 84 001 (Teil2)
Übersichtszeichnungen der 84 001

  • Kessel/Rahmen
    • genieteter Kessel der Einheitsbauart
      (84 001-84 004 mit 20 bar, 84 005-84 012 mit 16 bar)
    • Langkessel aus zwei Schüssen mit 1900 mm lichtem Durch-
      messer und 4700 mm Abstand zwischen den Rohrwänden
    • Rauchrohr-Überhitzer Bauart Schmidt
    • Feuerbüchse aus Kruppschem IZ-II-Stahl (geschweißt)
    • stählerne Stehbolzen
    • Speisedom mit Winkelrost-Speisewasserreiniger
      (1. Kesselschuß)
    • Dampfdom mit Naßdampf-Ventilregler
      Bauart Schmidt & Wagner (2. Kesslschuß)
    • 2 Sicherheitsventile Bauart Ackermann
    • Geneigter Rost (4 Felder, 2. Feld - Kipprost)
    • Kolbenspeisepumpe Bauart Knorr-Tolkien (250 l/min)
    • 90 mm dicker Barrenrahmen
Werksaufnahme 84 001
Werksaufnahme 84 004
  • Triebwerk
    • 84 001/84 002:
      • Dreizylinder-Heißdampftriebwerk mit einfacher Dampfdehnung
      • 2 außenliegende, waagerechte und 1 innenliegender, geneigter Zylinder
      • Zylinderdurchmesser 480 mm
      • Antrieb des 3. Kuppelradsatzes
    • 84 003/84 004:
      • Zweizylinder-Heißdampftriebwerk mit einfacher Dampfdehnung
      • außenliegende, waagerechte Zylinder
      • Zylinderdurchmesser 600 mm
      • Antrieb des 3. Kuppelradsatzes
    • 84 005-84 012:
      • Dreizylinder-Heißdampftriebwerk mit einfacher Dampfdehnung
      • 2 außenliegende und 1 innenliegender Zylinder
      • Zylinderdurchmesser 500 mm
      • Antrieb des 3. Kuppelradsatzes
Triebwerk der 84 001
Frontansicht der 84 001
  • Laufwerk
    • 84 001/84 002, 84 005-84 012:
      • Vierpunktabstützung
      • Federn des vorderen Laufradsatzes und der ersten 3 Kuppelradsätze sowie der letzten beiden Kuppelradsätze und des hinteren Laufradsatzes durch Ausgleichshebel verbunden
      • Schwartzkopff-Eckardt-Lenkgestelle für beide Fahrtrichtungen
      • kein fester Radstand (nur dritter, spurkranzloser Treibradsatz fest im Rahmen gelagert)
    • 84 003/84 004:
      • Vierpunktabstützung
      • Laufradsätze in Bisselgestellen mit ± 150 mm Seitenverschiebbarkeit
      • 2., 3. und 4. Kuppelradsatz fest im Rahmen gelagert
      • Treibradsatz mit 15 mm Spurkranzschwächung
      • 1. und 5. Kuppelradsatz durch Zahnräder vom 2. bzw. 4. Kuppelradsatz angetriebn (Bauart Luttermöller)
Schwartzkopff-Eckardt-Lenkgestell
Luttermöller-Endradsätze

  • Steuerung/Bremse/Sondereinrichtungen
    • Außenliegende Heusingersteuerung
    • Druckausgleich-Kolbenschieber Bauart Nikolai
    • Einkammer-Druckluftbremse Bauart Knorr mit Zusatzbremse und Wurfhebelbremse
    • Kuppelradsätze einseitig von vorn, Laufradsätze beidseitig gebremst
    • 2 Hauptluftbehälter á 400 l
    • Druckluftsandstreuer Bauart Borsig-Reichsbahn beidseitig für alle Kuppelradsätze
    • Zentralschmierung aller unter Dampf gehenden Teile durch Hochdruckschmierpumpe Bauart Bosch-Reichsbahn
    • Druckluft-Lätewerk auf dem Rauchkammerscheitel vor dem Schornstein
    • Elektrische Beleuchtung durch Dampf-Turbogenerator
    • Dampfheizungseinrichtung
Technische Daten
84 001/84 002 84 003/84 004 84 005-84 012
Betriebsgattung Gt 57.18 Gt 57.18 Gt 57.18
Bezeichnung 1'E1'h3 1'E1'h2 1'E1'h3
Höchstgeschwindigkeit 70 km/h 70 km/h 80 km/h
Zylinderdurchmesser 3 x 480 mm 2 x 600 mm 3 x 500 mm
Kolbenhub 660 mm 660 mm 660 mm
Treib- und Kuppelraddurchmesser 1.400 mm 1.400 mm 1.400 mm
Laufraddurchmesser vorn/hinten 850/850 mm 850/850 mm 850/850 mm
Kesselüberdruck 20 bar 20 bar 16 bar
Wasserraum des Kessels 7,4 m³ 7,4 m³ 7,4 m³
Dampfraum des Kessels 3,25 m³ 3,25 m³ 3,25 m³
Verdampfungswasseroberfläche 10,8 m² 10,8 m² 10,8 m²
Masse des Kessels (ohne/mit Ausrüstung) 21,1/30,5 t 21,1/30,5 t 21,1/30,5 t
Rostfläche 3,76 m² 3,76 m² 3,76 m²
Anzahl der Heizrohre 158 158 158
Anzahl der Rauchrohre 48 48 48
Achsstand 11.700 mm 12.200 mm 11.700 mm
Länge über Puffer 15.500 mm 15.950 mm 15.500 mm
Masse der leeren Lok 100,5 t 100,9 t 100,5 t
Dienstmasse 125,5 t 125,2 t 125,5 t
Reibungsmasse 91,3 t 89,7 t 91,3 t
mittlere Kuppelachsfahrmasse 18,3 t 18,0 t 18,3 t
Wasserkasteninhalt 14 m³ 14 m³ 14 m³
Brennstoffvorrat 3 t 3 t 3 t
Einsatz und Verbleib


Nach Abschluß der Versuche im RAW Berlin-Grunewald und Testfahrten im Raum Meiningen wurden alle Maschinen dem Bahnbetriebswerk Dresden-Friedrichstadt unterstellt. Da der Umbau der Müglitztalbahn noch nicht beendet war, setzte man die Lokomotiven zunächst für verschiedene Dienste im Raum Dresden ein. Ab September 1938 fuhren sie auch schon vor Arbeitszügen auf den fertiggestellten Abschnitten oberhalb von Glashütte.

Nach Eröffnung der normalspurigen Müglitztalbahn wurden 3 Maschinen dem neuen Lokbahnhof Altenberg zugeordnet, die den wegen eines Felssturzes bei Oberschlottwitz notwendigen Inselverkehr zwischen Glashütte und Altenberg bewältigten. Als am 26. April 1939 der durchgängige Betrieb aufgenommen wurde, verblieben zwei Lokomotiven in Altenberg (eine als Planlok für den Güterzugdienst und eine als unter Dampf stehende Reservelok).

84 003 mit einem Halbzug erreicht gleich den Bahnhof Bärenstein (b. Glash. Sachs.) 84 005 an der Haltestelle Mübach


Bei Kriegsende waren von den 12 Maschinen noch fünf einsatzfähig (84 002, 84 004-84 007). Die anderen wurden durch Kriegseinwirkungen beschädigt oder warteten auf planmäßige Reparaturen. Ende 1945 / Anfang 1946 verfügte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) auch 6 Lokomotiven der BR 84 zu ihrer Reserve.

Ab 1949 kamen die meisten Lokomotiven der BR 84 nach Schwarzenberg und zogen schwere Güterzüge auf der Strecke Aue-Schwarzenberg-Johanngeorgenstadt. Für dieses neue Einsatzgebiet waren die Lokomotiven nicht so gut geeignet. Sie konnten z.B. die Stecke Zwickau-Johanngeorgenstadt, nicht ohne Wasser zu nehmen, befahren. Auch konnten sie nicht auf den Anschlußstrecken nach Annaberg-Buchholz und Chemnitz (über Aue) eingesetzt werden, da diese nur für 15 bzw. 16 t Achslast zugelassen waren.

84 008 auf einer Ausstellung in Schwarzenberg 84 002 zu Beginn der 50er Jahre vor dem Tunnel vor Schwarzenberg aus Richtung Johanngeorgenstadt kommend

Der Baureihe 84 war nur eine kurze Lebensdauer beschieden. 1953/54 wurden einige Loks als Dampfspender bei der SAG/SDAG Wismut in Dresden-Gittersee oder als Heizlok im Bw Dresden-Altstadt eingesetzt. Bis 1958 wurden alle 84er abgestellt. Bis auf die inzwischen zerlegte 84 004 sollten die verbliebenen Lokomotiven der BR 84 zusammen mit der BR 3810-40 ab 1962 rekonstruiert werden. Wegen zu geringer Stückzahl sah man schließlich davon ab. 1966-68 wurden die Verbliebenen Lokomotiven der BR 84 verschrottet. Die 84 010 war als Museumslok vorgesehen, jedoch fiel sie letztendlich der Erfüllung des Schrottsolls zum Opfer.


 von  Jörg Köhler.